„Meine Mutter sagt mir immer wieder, wie gut es ist, dass ‚es‘ weg ist.“
Viele Frauen fühlen sich im Laufe ihres Lebens durch Personen oder Umstände gezwungen, einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen zu lassen. Viele Tränen wurden hierüber vergossen, selbst von jenen, die nach wie vor hinter ihrer Entscheidung stehen. Wir haben einige Frauen gezielt gefragt: Was war für dich am Schwangerschaftsabbruch das Schwerste, und was hat dir am meisten geholfen, damit fertig zu werden?
Und das waren die Antworten der Frauen*:
Tatjana:
Das Schwerste war der Morgen des Abbruchs. Ich hatte irgendwie auf ein Wunder gehofft: auf der furchtbar langen Autofahrt zu Pro Familia, im Wartezimmer, sogar noch als ich im OP-Hemd zum Stuhl laufen musste. Die ganze Zeit hatte ich gehofft, dass mein Partner es sich anders überlegt und sagt, wir können das Kind doch behalten. Oder dass wir auf der Fahrt dahin einen schweren Autounfall haben, dass es irgendwelche Komplikationen gibt und ich nicht operiert werden kann, ich hatte mir sogar ein Erdbeben herbeigewünscht, das die Klinik zum Einstürzen bringt. Beim Gang in den OP-Saal habe mir vorgestellt wie schön es wäre, wenn ich auf der Stelle einfach tot umfallen würde. Alles wäre mir lieber gewesen, als diesen Schritt gehen zu müssen. Und geholfen hat mir beim Umgang mit diesem Schmerz bisher nichts.
Carola:
Für mich war das Schwerste, dass mein Partner gerne Papa geworden wäre. Das viele Reden mit ihm hat uns beiden aber geholfen.
Johanna:
Für mich war das Schwerste, als ich wegen starker Blutungen (an meinem Geburtstag) ins Krankenhaus musste und dort festgestellt wurde das ich noch zu 70 Prozent schwanger bin. Leider hat XY gepennt und nicht festgestellt, dass ich nach dem „medikamentösen“ Abbruch leider noch Restgewebe in mir hatte. Die Aufklärung über den Blutverlust und darüber, wie lange der Prozess dauert, hat dort gefehlt. Leider ist der Abbruch immer noch ein Tabu-Thema mit zu wenig Aufklärung – zumindest ist es hier bei uns so.
Dana:
Für mich war das Schlimmste die Entscheidungsfindung und der Gang zum Gynstuhl. Am meisten geholfen hat mir der Austausch mit anderen Frauen**.
Melli:
Das Allerschlimmste war der Moment, als ich aufwachte und realisierte, es ist vorbei. Bis ich eine Frau neben mir schluchzen hörte und erfuhr, dass sie wegen ihrer Religion und ihrer Familie „keine andere Wahl“ hatte als abzutreiben. Sie bezeichnete sich selbst als „Rabenmutter“. Ich fühlte mich hilflos, wollte ihr helfen, den Schmerz nehmen, und gleichzeitig fühlte ich mich elend, weil ich selbst abgebrochen hatte. Es ist nun 8 Monate her, und wir schreiben fast täglich. Uns hilft es ein bisschen.
Sandra:
Für mich war es das Schwerste, erst Tage später zu realisieren, was ich die ganze Zeit wollte, nämlich das Kind behalten. Leider viel zu spät. Und dass meine Mutter mir immer wieder sagt, dass es gut ist, dass ‚es‘ weg ist und ich dafür nicht bereit wäre. Seit der Abtreibung ist der Kontakt zu meiner Mutter schlimmer denn je, da sie damit nicht klarkommt, wie ich über mein Baby spreche. Ich habe ihr, um ihr ein Gesicht zu geben, eine Identität verliehen. Sie ist mein Würmchen, als Tattoo als Stern für immer verewigt. Außerdem habe ich ihr versprochen, ihr Leben „mitzuleben“. Seitdem bin ich mutiger geworden.
Betty:
Für mich waren die 5 Stunden in diesem Zimmer, allein und unsicher, das Schlimmste, was ich durchmachen musste. Mein damaliger Partner hat sich das Kind so sehr gewünscht, aber ich konnte nicht. Er hat mir kurz nach dem Abbruch ein Video über einen Abbruch bei youTube gezeigt. Das war hart, aber wohl seine Art, das zu verarbeiten (…). Ich hätte mir gewünscht, dieses Video nie angesehen zu haben. Ich fand das ganz grauenhaft. Das Kind wäre jetzt über 12 Jahre alt. Das ist schon heftig, wenn man darüber nachdenkt.
Melina:
Am Schlimmsten war die Zeit davor. Das „Runterzählen“ der Minuten und genau zu wissen, gleich hört mein Baby auf zu wachsen, und es wird mir genommen. Und dann das Aufwachen und auf einmal diese Leere… Ich komme immer noch nicht damit klar. Ich habe immer das Gefühl, ich bin leer im Bauch.
Mathilda:
Ich habe innerhalb kürzester Zeit aus gesundheitlichen Aspekten 2 auf diese Art gehen lassen müssen. Ich lasse mir auch ein Tattoo stechen, so habe ich das Gefühl, sie sind nicht einfach ausgelöscht.
Leonie:
Ein Abbruch ist immer schwer, aber wenn man es nicht will, ist es die Hölle. Am Tag der OP musste ich – anders als geplant – 4 Stunden in meinem Zimmer warten, bis es los ging. Diese 4 Stunden waren die schlimmsten 4 Stunden, die ich je hatte. Am liebsten wäre ich einfach wieder nach Hause gefahren, aber es war eh zu spät. Nach der OP war ich so fertig und habe nur geheult. Habe auch erst mal den Kontakt zu meiner Familie abgebrochen. Mittlerweile kommt es immer mal wieder hoch, was ja normal ist. Um mit meiner Trauer besser klarzukommen, habe ich mir eine Kerze machen lassen. Die zünden wir immer am 5. im Monat an.
Christin:
Das Schlimmste war der Druck meines Ex-Partners und die Zeit danach, als ich nicht ein Wort mit ihm und auch mit sonst niemandem darüber reden durfte. Meine Tochter hat mir in der Zeit sehr geholfen, wir haben damals viel zusammen gemacht. Ich denke, ohne dieses Ereignis wäre mein Leben nicht so verlaufen wie es jetzt ist und ich wäre jetzt nicht so eine starke Frau.
Babsie:
Für mich ist das Schwerste, Schwangere oder Mütter mit Babys zu sehen. Ich fasse dann immer unbewusst an meinen Bauch und frage mich, wie es sich jetzt wohl anfühlen würde. Was dagegen hilft? Ich weiß es nicht… ich ergreife immer die Flucht.
Jessica:
Meine Abtreibung ist jetzt schon 12 Jahre her, und sie war nie ein Thema für mich, doch jetzt, wo mein Mann und ich seit 2 Jahren versuchen, schwanger zu werden, wird es wieder zum Thema. Alle um uns herum werden Eltern, nur wir nicht, und ich denke dann, hätte ich es damals nicht gemacht, wäre es jetzt vielleicht anders.
* teilweise leicht gekürzt und sämtlich anonymisiert.
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Foto: RiccoStange | pixabay.com